"In
meiner Arbeit für das Projekt "EXILS" beschäftige ich
mich mit dem Exodus der marokkanischen Juden in den 60iger Jahren des
vorhergehenden Jahrhunderts., und dabei besonders mit der
handwerklichen Arbeit der Frauen, die mit dem Exodus dieser Frauen
aus Marokko verschwunden ist"
Ausgangspunkt für Weiss’ sehr persönliche Annäherung an das Thema sind jene jüdischen Berberfamilien, die infolge des Sechstagekrieges ihre marokkanische Heimat verließen. Die Künstlerin hebt diese historische Emigrationswelle und ihre Folgen in ihrer Videoinstallation auf eine Abstraktionsstufe, die eine Vielzahl von Querverbindungen zur Gegenwart zulässt: Fotografien emigrierter Frauen in traditioneller Berbertracht bewegen sich schwebend auf ein Gebirge zu, in dem der Betrachter nicht unbedingt den Sinai erkennt – die biblische Transitregion, heute bevorzugtes Versteck militanter Islamisten. Die karge, in anderen ihrer Arbeiten mit verheißungsvollem Goldgrund unterlegte Landschaft könnte überall (im Nahen Osten) sein.
Foto, Blattgold, Goldfäden, vernäht |
Die Hoffnungen der marokkanischen Auswanderer auf "Eretz Israel" haben sich, entgegen der suggestiven Bilderfolge, damals nur in den seltensten Fällen erfüllt. In der Mehrzahl leben die Nachfahren der Auswanderer heute am Rande der Gesellschaft. Irgendwann kehrt sich die Bewegung auf der Leinwand um: Gesichter wachsen auf den Betrachter zu, in denen er unschwer die Fernsehbilder der vergangenen Monate erkennt: verzweifelt ringende Hände, ein bildfüllendes trauriges Kindergesicht vor Maschendraht.
Videostill |
Wichtig ist der Künstlerin der Hinweis, dass mit den Menschen immer auch Kulturgut geht: im konkreten Fall jenes jüdischberberische Kunsthandwerk, wie es nur noch im jüdischen Museum Casablanca zu sehen ist. Diesen unwiederbringlichen Verlust macht Weiss in Fotografien sichtbar, die – quasi im künstlerischen Nachvollzug – auf subtile Weise mit vernähten oder gezeichneten Fäden ornamental bearbeitet werden. Der textile oder linearornamentale Bezug ist typisch für die Arbeit dieser hochsensiblen Künstlerin, ebenso ihr Hang zur Transparenz, zum Wechselspiel von Ent- und
Verschleierung, so auch in ihren papierenen Rauminstallationen. (Autor Text: Stefan Tolksdorf)
Verschleierung, so auch in ihren papierenen Rauminstallationen. (Autor Text: Stefan Tolksdorf)
Tusche über Foto, 80 x 110 cm |
Foto, Blattgold, Goldfäden, 90 x 120 cm |
Das
Projekt
EXILS
ist ein Projekt über die Frage des Exil als Impulsgeber für
menschliches Denken und Handeln und darüber wie die politische,
soziale und ökonomische Aktualität die Menschen in Marokko auf
eine globale Position bringt angesichts von unvermeidlichen
gesellschaftlichenTransformationen, die von bestimmten
Gesichtspunkten aus unveränderlich erschienen, die aber durchlässig
werden in Zeiten von Krisen: Veränderungen, die sich auf Erinnerung
und Identität beziehen, auf die Grenzen zwischen sich und dem
Fremden, auf das Lebensrecht, das Asylrecht, das Recht auf
Sicherheit, auf Begrenzungen, oder einfach nur das Recht des Menschen
bei „sich“ oder "woanders "zu sein.
EXILS
ist ein multidisziplinäres Projekt, das eine Ausstellung von
künstlerischen Positionen, eine Konferenz und ein Kolloquium umfaßt. Kuratorin dieser Ausstellung war Nadia Sabri, Professorin für Kunstgeschichte und Ästhetik an der Universität in Rabat, Marokko.
Unser
Ziel ist es, bestehende Fragestellungen zu nutzen, um
Denkalternativen zu entwickeln, indem verschiedene Ausgangspunkte und
Disziplinen miteinander konfrontiert werden: Kunst , Philosophie,
Recht, Militantismus, assoziative Strukturen und auch Literatur.
Die
Herausgabe einer Publikation zu EXILS soll eine schriftliche und
visuelle Spur hinter- lassen, die alle Aspekte des Projektes
dokumentiert: einen Ausstellungskatalog und die grundlegenden Ergebnisse der Konferenz und des Kolloquiums.
Mehr Information unter:
www.ulrikeweiss.net
Mehr Information unter:
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