"Auf den zweiten Blick - Bauhausstoffe als Inspiration", 06.07. - 08.09.2018, Tuchmachermuseum Bramsche
Wolldecke, gewebt auf dem Jacquardwebstuhl im Tuchmacher Museum Bramsche,
nach einem Entwurf der Bauhäuslerin Gunta Stölzl
(Foto: Fotostudio Kröger)
Das Bauhaus,
dessen 100-jähriges Gründungsjubiläum 2019 gefeiert wird, hat einen
herausragenden Platz in der Designgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die
Weberei, die am längsten
existierende und erfolgreichste Bauhaus-Werkstatt, setzte entscheidende Impulse für die Entwicklung
und Professionalisierung des Textildesigns.
Gunta Stölzl (1897–1983), die am
Bauhaus in Weimar studierte und von 1927 bis 1931 als erste Meisterin
die Webereiwerkstatt in Dessau leitete, hat eine umfangreiche Sammlung
von Entwürfen, Zeichnungen
und Arbeitsproben hinterlassen. Davon inspiriert haben Studierende der
Universität Osnabrück, begleitet von der Textildesignerin Lucia
Schwalenberg, eine exklusive Kollektion von Wolldecken geschaffen, die
auf dem 100 Jahre alten Jacquardwebstuhl im Museum
gewebt werden. Der gesamte Prozess – vom Entwurf, über die
Patronenzeichnung und das Schlagen der Lochkarten bis zum Weben – kann
in der Ausstellung und im authentischen Maschinensaal des Museums mit
verfolgt werden.
Wolldecken
gehörten neben Teppichen, Möbelbezugsstoffen und anderen Heimtextilien
zu den typischen Produkten der Bauhaus-Weberei. Stoffe für modische
Kleidung
hingegen schienen am Bauhaus kaum eine Rolle zu spielen. Doch auch hier
lohnte sich ein zweiter Blick. Die Positionen etwa der
Bauhaus-Meisterin Lilly Reich oder Ré Soupault, die am Bauhaus studiert
hatte, zum Thema Schnitte und Stoffqualität, Massenproduktion
und Modeindustrie sind erstaunlich aktuell. Ein Transformationskleid,
wie es Ré Soupault 1930 entwarf, könnte heute noch manches Problem im
überfüllten Kleiderschrank lösen. Die Textil- und
Bekleidungswissenschaftlerin Annette Hülsenbeck, die Künstlerin Hiltrud
Schäfer und ihre Studierenden haben sich mit dem Thema Bauhaus-Mode
experimentell auseinandergesetzt. „Auf den zweiten Blick“ wurden
Modeentwürfe und Statements von Bauhäuslerinnen entdeckt und
Neuinterpretationen erprobt.
Der Ausstellung
voraus gingen viele Monate der Vorbereitung. Schließlich sollten
erstmals in der Geschichte des Museums selbst geschlagene Muster gewebt
werden. Die dafür
nötige Maschine zum Schlagen der Lochkarten stand schon lange in der
Ausstellung, wurde aber noch nie benutzt. „Dass diese Maschine zum
Jacquardwebstuhl passt ist wie ein Sechser im Lotto“, freute sich
Textildesignerin Lucia Schwalenberg über das Ergebnis
des Gutachtens. Während die Maschine repariert und die
Museumsmitarbeiter geschult wurden, arbeiteten die Studierenden an der
Universität Osnabrück mit den Entwürfen von Gunta Stölzl. Bereits im
Juli 2018 hatte Museumsleiterin Kerstin Schumann mit Annette
Hülsenbeck und Lucia Schwalenberg von der Universität Osnabrück im
Archiv der Stölzl-Tochter Monika Stadler in Groningen passende
Musterproben ausgewählt, die nun von den Studierenden nachgearbeitet,
neu interpretiert und
den technischen Gegebenheiten des Jacquardwebstuhls im Museum
angepasst wurden. „Was die Studierenden hier in relativ kurzer Zeit
geschaffen haben, ist wirklich erstaunlich“, zeigte sich die
Museumsleiterin begeistert von der Qualität der kreativen Entwürfe.
Nun konnten sich
die Museumstechniker Antonio Torres und Volker Leismann in
hochkonzentrierter Arbeit daran machen, die Entwürfe Gunta Stölzls und
der Osnabrücker Studierenden
in Jacquardpappen zu schlagen. Schussreihe für Schussreihe müssen je
400 Positionen von der Patrone abgelesen und die Bindungspunkte in
Lochungen übertragen werden. Anschließend werden die Kartenläufe am
Nähbrett zusammengenäht und in das Jacquardprisma eingehängt.
Für alle Beteiligten war es ein beglückender Moment, als die ersten
Kartenläufe schließlich das richtige Musterbild ergaben, manchmal noch
korrigiert werden mussten, manchmal auch auf Anhieb klappten.
Seit einigen
Wochen entstehen nun Plaids und Schals aus Merinowolle in verschiedenen
Mustern und Farbstellungen auf dem Jacquard- und dem Schaftwebstuhl. Sie
werden exklusiv
zur Ausstellungseröffnung im Museumsshop als Kollektion erhältlich
sein. Ein neues Sortiment für das Museum. Eine neue Erfahrung auch für
Besucher und Besucherinnen, die den Weg von der Inspirationsquelle, dem
Entwurf, dem Kartenschlagen bis zum Weben und
dem fertigen Produkt in einer anschaulichen Einheit nachvollziehen
können. Ein Großteil der Wollgarne für die Produktion wird auf
museumseigenen Maschinen, wie den Krempelmaschinen und dem Selfaktor,
hergestellt.
Die
Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Fach Textiles Gestalten der
Universität Osnabrück und wird von der Niedersächsischen
Sparkassenstiftung und der Kreissparkasse
Bersenbrück, dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und
Kunst und dem Landschaftsverband Osnabrücker Land e.V. sowie dem
Förderverein Tuchmacher Museum Bramsche e.V. gefördert.
Auf den zweiten Blick
06. Juli 2019 bis 08. September 2019
Tuchmacher Museum Bramsche Mühlenort 6
49565 Bramsche